Newsletter Februar 2018

Liebe Eltern, liebe Freunde und Interessierte

 

„Der vernünftige Mensch passt sich der Welt an. Der Unvernünftige dagegen versucht, die Welt seinen Vorstellungen anzupassen. Weshalb jeder Fortschritt von unvernünftigen Menschen ausgeht!“                                                                                                              

George Bernard Shaw

Unsere Wiegestuben Gruppen haben vor mehr als zehn Jahren in privaten Räumen begonnen. Die „Urwiegestube“ war im Obergeschoss eines neu ausgebauten Holzhauses mit einem gewölbten Dach untergebracht. Die Mütter und Kinder haben oft gestaunt über die schönen Räume und haben sie sehr genossen. Wir erlebten, welch grosses Bedürfnis nach einer Umgebung besteht, welche Schönheit, Einfachheit sowie die Sicherheit von regelmässigen rituellen, immer gleich stattfindenden Abläufen vermittelt. Eltern und Kinder entspannen sich dabei sichtlich. Erst dann ist es überhaupt möglich an der Vertiefung der frühen Bindung zu arbeiten und so den Boden zu legen für eine harmonische Spiel- und Bewegungsentwicklung.

 

Es gab einige Details, die sich als so wohltuend erwiesen, dass wir sie auch für den kommenden Neubau des „Storchennestes“ übernommen haben. Mein Buch „Begleitungskunst in Eltern-Kind-Gruppen. Orte der Ruhe, des Respekts, der Einfühlung und der Entfaltung für Babys und ihre Eltern“ erzählt vom Leben in der „Urwiegestube“. Es kam damals schon der Wunsch auf, einen Bau zu realisieren, der ganz speziell auf die Bedürfnisse der Babys und Eltern zugeschnitten wäre. Wir hatten dieses Ziel lange vor Augen und jetzt ist es soweit! Heute gehen ja bis zu hundert Babys und Kleinkinder pro Woche über unsere Schwelle – daraus spricht eine grosse Sehnsucht der Eltern und eine  hohe Qualität unseres Angebotes.  Es haben aber viele besondere Umstände dazu geführt, dass ausgerechnet in Grabs das erste, ganz speziell für Eltern-Kind-Gruppen konzipierte Haus entsteht.

 

Am  19. Februar 2018 um 19.30 Uhr  findet im jetzigen Spielraum an der Mühlbachstrasse 11a in Grabs ein Orientierungsabend für alle Interessierten statt.  

Wir laden alle ganz herzlich zu diesem Anlass ein!

 

Nun seid Ihr vielleicht doch schon ziemlich neugierig, wie weit denn unsere Pläne gediehen sind. Es würde uns sehr freuen, wenn Ihr zahlreich zu diesem Anlass kommt. Bei Gesuchen an Stiftungen und auch bei Unterlagen für eine Hypothek wird stets hoch angerechnet, wenn ein soziales Projekt vom Umkreis unterstützt wird, sonst hat man kaum eine Chance auf Beiträge. Für ein solches Zukunftsprojekt, das ein Modell der Arbeit im frühkindlichen Bereich wird, braucht es daneben eine Vision und Begeisterung. Wir hoffen, dass wir beides vermitteln können. 

 

Da diese Arbeit etwas sehr Zukünftiges, Modellhaftes in sich trägt, finden wir es wichtig, dass sie in einer Umgebung stattfindet, welche in jeder Hinsicht unterstützend wirkt. Dieser Bau soll ein Ausrufezeichen dafür sein, das wir endlich ernst machen mit der Tatsache, dass die ersten drei Lebensjahre des Kindes die wichtigsten, prägendsten  und auch die verletzlichsten sind. Dazu haben wir uns viele Gedanken gemacht in der Baukommission. Die Architektur soll sich am pädagogischen Auftrag orientieren. Die Art der Architektur wirkt sich sehr stark auf die Befindlichkeit der Kinder aus, da ihre Sinne noch total offen sind.

Das Haus ist ja ein Bild für den Körper. Das können wir in jeder Kinderzeichnung ablesen. Das Kind zieht Schritt für Schritt in sein „Körperhaus“ ein. Viele Kinder haben heute Mühe, sich im eigenen Körper einzufinden, was vielerlei Störungen hervorrufen kann. (beim Schlafen, Essen, in Fein- und Grobmotorik, beim Verhalten) In einem Körper, der nicht ganz „bewohnt“ ist, kann keine harmonische Entwicklung stattfinden. Als Urbild für diesen Vorgang soll deshalb ein Wiegestuben-Haus etwas sehr Freundliches, Einladendes ausstrahlen. Das Dach soll eine „behütende Geste“ machen. Man möchte einfach sehr gerne da hinein gehen und drin sein.

Jeder, der bei uns in einer Wiegestuben-Gruppe dabei sein konnte, war ganz berührt von der besonderen Atmosphäre, die entsteht, wenn alle Anwesenden respektvoll, zurückhaltend und wirklich präsent sind. So kann ein geschützter, freier Raum entstehen, in dem Babys wagen, sich zu zeigen, zu spielen. Viele Eltern erleben das hier zum ersten Mal! Es entsteht tatsäschlich ein heiliger, heilender Raum!

Ein Raum, der dieser Stimmung gerecht wird, zeichnet sich durch seine Einfachheit und Harmonie aus. Einfach nicht im Sinne von banal, sondern im Sinne von selbstverständlich. In einem Entwurf wird diese Selbstverständlichkeit nur erreicht, wenn versucht wird, auf das Überflüssige zu verzichten, das Wesentliche herauszuschälen und alles zu einer geordneten Ganzheit zusammenzuführen.

In einen solchen Raum platzt man nicht einfach hinein. Deshalb wird dem Eintreten ins Haus grosse Aufmerksamkeit geschenkt.

Die Eingangstüre ist im geschützten hinteren Bereich, der überdacht ist. Die natürlichen Holzsäulen tragen das Dach und werden von den Kindern gerne berührt. Säulen betonen die Aufrechte – was sehr wichtig ist in diesem Alter. Hier draussen soll eine Steinskulptur – eine Greifskulptur stehen, welche die Kinder sehr gerne berühren und streicheln, das hilft ihnen ebenfalls dabei, sich selber besser zu spüren. Der Eingang ist als Durchgang gestaltet, der einem das Gefühl gibt das Haus durch eine sehr dicke Wand zu betreten. In diesem Bereich ist eine Nische, in welcher  die Smartphones deponiert werden können.

Viele Kinder erinnert jeder Durchgang, jede Tür, an ihre Geburt. Einige haben deshalb  Mühe mit Türen, besonders wenn ihre Geburt belastet war. Deshalb ist im unteren Teil der Eingangs-Türe  eine runde Glasscheibe eingefügt, durch die man nach Bedarf zuerst  von aussen  in die Garderobe hinein gucken kann.

Da sehen sie dann auch gleich das Kaminfeuer – die zentrale Stelle des Hauses, wie wir es auch von alten Appenzeller-Häusern kennen. Die lebendige Wärme zieht an.

Die Garderobe ist so konzipiert, dass die Kinder, sobald wie möglich, selber die Fensterbänke, die eigentlich Fensternischen sind, erklimmen können. Hier sitzt jedes geschützt für sich und Mutter und Kind können sich in voller Zuwendung auf das  An-und Ausziehen konzentrieren. Dieses Element ist uns sehr wichtig. Wir üben es immer wieder mit den Eltern, lassen sie an den Begleitabenden selber erleben, wie es sich anfühlt achtlos oder liebevoll berührt zu werden. Die Garderobe ist in unserer Pädagogik ein zentraler Ort des Übens. Die Wiegestuben sind Orte der Elternbildung.

Die Kinder, die fertig sind, können  mit der Mama schon in den Vorraum. Dieser Raum ist rund, wie eine Erinnerung an die totale Geborgenheit in der Gebärmutter. Er ist in farbiges Licht getaucht. Wir erlebten die wunderbare Wirkung von farbigen Glasscheiben bei unserer Eingangstüre in der Ur-Wiegestube. Diese wurde von der Malerin Elisabeth Arpagaus geschaffen, die oft mit mundgeblasenem, Glas gearbeitet hat, welches unglaubliche, faszinierende Farberscheinungen zaubern kann. In diesem Raum finden das Willkommensritual und auch das Abschiedsritual statt. Der Raum kann auch für die Anfangs-Babygruppen genutzt werden. Er bietet viel Geborgenheit für die Babys, die noch nicht robbend und krabbelnd unterwegs sind.

Dann öffnet sich erst die Türe zum  Hauptraum. Dieser hat Stubencharakter, Die Ofennische und die Fensternische haben etwas Bergendes. Die beiden Nischen sind Punktgespiegelt, wodurch eine Beziehung zur Mitte entsteht. In diesem Raum hat es auch sonst viele Nischen, Höhlen und Klettermöglichkeiten. Das Licht ist nicht zu grell. Die Fenster gehen nicht bis unten, damit der Raum und die Kinder nicht nach aussen „gezogen“ werden. Die Beschattung ist natürlich gegeben durch die gedeckte Terrasse, die ebenfalls von Holzsäulen gestützt werden. Auch im Haupt-Raum hat es zwei Holz-Säulen.

Das Farbkonzept ist uns wichtig. Natürlich wissen wir um die Wirkung der Farbe „Inkarnat“ oder „Pfirsichblüt“. Wird diese Farbe aus Erdpigmenten in Lasurtechnik angebracht, wirkt sie „verlebendigend“ auf unsere oft bleichen Kinder. Vertieftes, hingebungsvolles Spiel bringt ebenfalls diese lebensvolle, zarte Farbe, die früher jeder Maler kannte, auf die Kinderwangen zurück, es gibt wieder „roti Bäggli“.Der Storch in seinem Nest auf dem Dach, bringt uns die markanten Farben  „rot- weiss-schwarz“. Dies sind auch die Farben der Göttin in alter Zeit und sie scheinen uns passend für ein Haus, in dem Schwangerschaft, Geburt und frühe Kindheit eine grosse Rolle spielen. Das Haus wird voraussichtlich ganz leicht weiss lasiert. Das Dach wird mit rötlichem Schiefer gedeckt. Diese Entscheidungen sind aber noch nicht gefällt.

 

Die Spielräume sollen schwingende Böden erhalten. Das gibt ein ganz anderes Geh-Gefühl als etwa auf Beton. Hier lernen die Kinder ja gehen und sie lernen durch das Pikler Konzept auch „weich“ zu fallen.

Im  oberen Geschoss herrscht „Estrich-Atmosphäre“, deshalb kamen wir auf die Idee im vorderen Teil einen „Stroh-Raum“ zu realisieren, der wunderbar da hinauf passt. Er wird wie der Sandraum auch öffentlich zugänglich sein. Dieser ist ja seit einigen Jahren bereits ein sehr gesuchtes niederschwelliges Angebot. Im hinteren Teil wäre Platz für die Spielgruppen, die bis jetzt keinen eigenen Raum haben. Wir wissen noch nicht, ob wir den bereits realisieren können. Ein starker Wille für einen Spielgruppenraum auch von Elternseite würde auf jeden Fall unterstützend wirken.

Dieser Dach-Raum könnte auch für die Geburtsvorbereitung und für Elternabende genutzt werden. Bei zwölf Wiegestubengruppen kommt es oft vor, dass  sich mehr als eine Gruppe pro Abend trifft. Das Raumangebot wird auf jeden Fall voll ausgelastet sein.

Hier oben wäre auch viel Stauraum für das Material der Geburtsvorbereitungs-Hebammen (Spital Grabs) und für unser Bewegungsmaterial, das gerade nicht im Einsatz ist.

 

Wir wissen, dass wir mit diesem Haus eine grosse Verantwortung tragen, denn es wird ohne Zweifel häufig besucht werden und auch der Ausbildung von Fachpersonen dienen. Wir haben heute bereits in der alten Fabrik sehr viele Besucher. Das „Storchennest“ soll Bewusstsein wecken für die Bedürfnisse der Kleinsten nach Ruhe, Geborgenheit, Pflege der Sinne, Ungestörtheit und Schönheit. Die Eltern sollen zur Ruhe kommen können und sich erholen und stärken.

Wir sind überzeugt, und erleben es eindrücklich, dass ein solch stützendes Angebot von Jahr zu Jahr gefragter und not-wendiger sein wird und dass das „Storchennest“ viel Ausstrahlung haben wird. Der ganze Bereich „Förderung in der frühen Kindheit“ wird in nächster Zeit in alle Agenden von Wirtschaft und Politik hinaus katapultiert werden. Da wird es begeisternde Vorbilder brauchen für eine frühe Bildung, die ganz von den Bedürfnissen und Entwicklungsgesetzen der Kinder ausgeht.

 

 

Maria Luisa Nüesch, Stiftung Spielraum-Lebensraum

Jan Schmid, Architekt