Newsletter April 20

Liebe Freunde, liebe Eltern, liebe Interessierte

" Wenn man einen Freund hat, braucht man sich vor nichts zu fürchten." 

 

 

Kennen Sie Janoschs Geschichte vom kleinen Bär und dem Tiger, welche auf ihrer Reise nach Panama zu dieser grossen Erkenntnis gekommen sind? Nein? Dann erzähle ich Ihnen gerne mit Hilfe einer Zusammenfassung kurz um was es darin geht...

Oh wie schön ist Panama

 

Die zwei Freunde Kleiner Tiger und Kleiner Bär leben glücklich in einem Häuschen in der Nähe eines Flusses. Der kleine Bär ist leidenschaftlicher Fischer, und der kleine Tiger ist ein versierter Pilzsammler, der eine kleine gelbschwarz gestreifte Holzente mit Rädern besitzt. Er nennt sie deshalb „Tigerente“. Eines Tages fischt der kleine Bär eine leere Holzkiste mit der Aufschrift „Panama“ aus dem Fluss. Er schnuppert an der Kiste, und sie riecht nach Bananen, und er beschließt, dass Panama das Land seiner Träume sei. Der kleine Bär erzählt seinem Freund Kleiner Tiger phantasievoll, dass Panama ein Ort sei, wo alles besser, größer und schöner als zuhause sein soll und dass sie nun in dieses Land reisen sollen. Am nächsten Tag machen sich die beiden mit einem Kochtopf, einer Fischerrute, einem Hut und der Tigerente auf den Weg nach Panama. Zuerst fertigen sie aus der Kiste einen Wegweiserund gehen in die gezeigte Richtung. Während ihrer Reise treffen sie auf die verschiedensten Tiere. Die meisten wissen nicht, wo Panama liegt, und einige geben ihnen falsche Richtungsangaben. Die beiden Freunde laufen durch diese Angaben im Kreis herum und kommen schließlich wieder in ihrem alten Zuhause an. Da in der Zwischenzeit ihr Haus durch die Witterung angegriffen aussieht, die Brücke nicht mehr vollständig intakt ist und die Bäume und Sträucher beträchtlich gewachsen sind, ist ihnen nicht bewusst, dass sie wieder in ihrem ursprünglichen Zuhause angekommen sind. Sie finden auf dem Boden vor ihrem Haus den Wegweiser mit der Aufschrift „Panama“ und glauben deshalb, tatsächlich an ihrem Ziel angekommen zu sein. Sie reparieren das Haus und sind glücklich, endlich im Land ihrer Träume zu sein.

Die Geschichte von den zwei Freunden ermöglicht uns eine neue Perspektive auf das eigene Zuhause. Erst aus der Distanz wird begriffen, dass das eigene Zuhause schöner ist, als es von nahem erscheint. Janosch meinte damals in einem Interview: "Jeder lebte schon immer im Paradies, hat es nur nicht gewusst". 

 

In der aktuellen Situation bekommt für mich diese Geschichte eine völlig neue Bedeutung. Wo es mich vorher in fremde Länder gezogen hat, ich das Wochenende am liebsten gemeinsam mit Freunden beim Sport  verbrachte und auch einem netten Restaurantbesuch nicht abgeneigt war, verbringe ich wie alle anderen auch  von heute auf morgen die allermeiste Zeit in meinen eigenen vier Wänden. Und teile ich diese vier Wände mit weiteren 3 Erwachsenen, meiner Familie. Alle sind wir gefordert, neue Modelle des Miteinanders und vor allem auch Nebeneinanders zu finden. Die räumlichen Ressourcen, die individuellen Belastungsgrenzen, die fehlenden sozialen Kontakte- das alles sind neue Erfahrungen und fordern und überfordern uns als Familie in dieser Zeit des Umbruchs. Und das ist gut so und ganz normal. Ich merke aber auch, dass ich besser mit meiner Familie zurechtkomme und mit ihnen den Alltag neu gestalte, wenn ich mich gut um mich kümmere. Wo finde ich kleine Oasen, in denen ich Ruhe finde um still dazusitzen, das Handy ausgeschaltet zu lassen, nichts zu lesen oder zu tun und um nach Innen zu horchen? Welche Bilder und Empfindungen zeigen sich dabei? Nie war die Gelegenheit dazu besser als jetzt, ich habe Zeit. 

 

Den Alltag neu gestalten

 

Mit einer Stärkung der persönlichen Sicherheit im Rücken können wir dann den Alltag betrachten und ins Handeln kommen: Wir gestalten nun um, sind aktiv, legen neue Rahmenbedingungen in Zeiten der Veränderung für unsere Familie. Dabei entdecke ich mein Panama neu: das Kochen und gemeinsame Essen wird zum täglichen Event, ich nehme mir Äste mit den ersten Frühlingsblüten vom Spaziergang mit ins Haus, unsere Katze bekommt so viele Streicheleinheiten wie noch nie und hatte ich je einmal mehr Freude am Liegestuhl um Garten als jetzt? Dass die Situation eine ganz andere ist wenn daheim die Kinder noch klein sind, bin ich mir bewusst. Das Grundprinzip bleibt aber gleich, der Weg nach Panama führt einfach über mehr Umwege. Ich möchte Ihnen folgenden Text, den Maria Luisa Nüesch aus aktuellem Anlass für die Zeitung verfasst hat, ans Herz legen.

 

Hilfe durch echtes Spiel

 

Eltern sind nun stark gefordert um den Alltag mit kleinen Kindern zu Hause zu gestalten. Die neue Situation bringt Chancen, birgt aber auch Gefahren in sich. Manche Eltern verausgaben sich mit einem fast pausenlosen Animations-Programm. Das ist einfach zu anstrengend auf die Länge und tut weder Kindern noch Eltern gut.

Kleine Kinder sind unglaublich lebendig. Sie bewegen sich und spielen  - das ist ihr eigentliches Lebenselement. Dafür haben sie heute meist zu wenig Raum und Zeit. Das freie Spiel ist an den Rand gedrängt worden. Es liegt im Trend, dass Eltern meinen, die Kinder beschäftigen und unterhalten zu müssen. Am bequemsten geschieht das durch die Fesselung an elektronische Geräte. Die Kinder sind gebannt und es ist dann wenigstens ruhig. Das ist sehr verführerisch. Aber der natürliche Bewegungsdrang staut sich an und entlädt sich nachher umso explosiver, aggressiver oder aber es lähmt die Kinder. Sie sind „angefixt“ und verlangen dauernd nach Unterhaltung.

Wie kann das  selber erfundene Spiel wieder in Gang kommen und so verlaufen, dass es auch für Erwachsene eine Freude wäre, dabei zu sein? Eines ist heute fast in Vergessenheit geraten: Gesunde Kinder spielen, wenn sie ungestört sind, ununterbrochen von morgens bis abends und zwar ohne jede Anleitung! In solch freiem, nicht vorgegebenem Spiel verarbeiten sie die täglichen Erlebnisse, ihr Konflikte, auch ihre Ängste. Es ist ihr angeborener Weg, gesund zu bleiben. Es ist ausserdem die beste Förderung überhaupt und übertrifft jedes von Erwachsenen ausgedachte Programm bei weitem. Dagegen ist auch jeder Bildschirm einfach nur flach!

Was braucht es dazu?

Für Kinder ab ca. 3 bis 7 Jahren: möglichst wenig konventionelles Spielzeug. Machen Sie gemeinsam mit den Kindern eine Aktion und räumen Sie das meiste „Zeug“ in einen grossen Behälter, welcher vorübergehend wegkommt. Künden Sie das „Abenteuerland „ an. Dazu braucht es Platz, Ruhe und Ungestörtheit. Es braucht nur Grundmaterialien wie Tücher, Wäscheklammern, Seile, Kissen und „Baumaterial“ wie Stühle, Tische, Besenstiele usw. Das Zauberwort ist: „wir wären jetzt“ z. B. auf einem Schiff. Dann geht es los. Die  eigenen Ideen der Kinder beginnen zu sprudeln.

Für Kinder  bis zu 3 Jahren: Sobald Kinder sicher  selber gehen können, sind sie tätig unterwegs. Sie „helfen“ gerne. Sie räumen mit Vorliebe ein und aus, füllen ein und leeren aus, sie „putzen“ und „kochen“. Ermöglichen Sie den kleinen Helfern vielerlei „Arbeiten“.  Zelebrieren Sie selber ganz bewusst notwendige Haushaltarbeiten wie Aufräumen, Putzen, Kochen oder Bügeln auf eine  ganz neue Weise: mit Ruhe, Präsenz und Liebe. Sie werden staunen, was das bei Ihnen selbst und bei den Kindern auslöst! Kinder wollen Arbeiten frei nachahmen. Es ist kontraproduktiv, sie zu „bespielen“. Sie wollen  echtes Tun freudig nachahmen. Sie können aus dieser Atmosphäre heraus  dann unvermittelt vom „Schaffen“ ins Spiel finden und oft stundenlang verweilen. Verkneifen Sie es sich, dieses Spiel auch nur irgendwie zu stören – auch sich selbst zuliebe. Geniessen Sie es! 

Nichts ist schöner zu erleben als Kinder, die völlig ins Spiel vertieft sind. Sie sind im Flow. Solche Spiele können sich besonders ab 4 Jahren über Tage hinziehen. Die Kinder bleiben bei einem Thema dran. Die Erwachsenen können sich entspannen und es braucht absolut kein Unterhaltungsprogramm.

Die jetzige Krise ist eine grosse Chance für die Kinder, wieder Zeit fürs freie, selbsterfundene Spiel zu haben. In Zeiten der Angst ist es für sie doppelt wichtig für die Verarbeitung. Nutzen Sie diese Zeit um Ihre Kinder wieder mit ihrer eigentlichen Kindheit zu verbinden. Sie steckt niemals in einem elektronischen Gerät!

Sind Sie überzeugt, dass Ihre Kinder leider nicht fähig sind, auf diese Weise zu spielen? Da dieses Spiel  aus einem jedem Menschen innewohnenden inneren Quell entspringt, kann es  gar nicht versiegen. Die Quelle kann  zwar vermauert sein, aber sie ist immer da. Und sie beginnt wieder zu sprudeln, wenn sie darf! 

Wenn es zuhause vorerst nicht gelingen sollte, suchen Sie einen Platz in der Natur auf, wenn dies wieder möglich sein wird. Am Rhein gibt es wunderschöne Stellen, wo alle vier Elemente, Wasser, Erde, Luft und Feuer anwesend sind. Sie ermöglichen freies Spiel in schönster, vielfältiger Weise. Die Kinder verbinden sich ganz mit der Umgebung. Hier fühlen sie sich aufgehoben als Kinder der Natur. Die Natur spielt immer.

 

Eine andere Oase muss noch etwas warten. In unzähligen einzelnen Gängen hat das Team vom Verein Spielraum-Lebensraum Mitte März den Umzug in die fast fertigen Räume des Storchennestes getätigt. Bereits kommen die ersten Kinderstuben-Kinder in den Genuss des neu entstandenen Paradieses. Natürlich haben wir uns den Umzug anders vorgestellt- als wir dann aber nach getaner Arbeit auf dem Dach den mit uns eingezogenen Storch entdeckt haben, wurde uns doch festlich ums Herz. Wenn das kein hoffnungsvolles Zeichen ist! Umso mehr freuen wir uns auf die Tage, wenn Kinderlachen, Musik und Wärme die Räume füllen werden. Kita- Eltern, die trotz Home office und vorerst eigenen Lösungen Bedarf an Betreuung haben, können ihre Kinder bereits jetzt ins Storchennest bringen. Wir sind da. Den vielen Wiegestube- und Spielgruppenkindern, die wir nun nicht jede Woche wie gewohnt sehen aber fest in unseren Herzen tragen,  wie auch allen anderen Kindern auf dieser Welt wünsche ich, dass sie sich in ihren Familien geborgen fühlen, zusammen sein können mit Erwachsenen, die sich selber gut Sorge tragen und all den grossen und kleinen Abenteuern auf ihrem eigenen Weg nach Panama mit Optimismus und Mut begegnen. Bleiben Sie gesund und bis bald im Storchennest!

 

Jeannette Berger